Emma Ihrer

Emma Ihrer (1857-1911)
„Unerschrockene Kämpferin gegen alle knechtenden und büttelnden Gewalten" (Zetkin)

„Schwach sind wir, solange wir nicht zusammenhalten. Aber wir sind stark, wenn wir vereint vorwärtsgehen, von einem Gedanken beseelt, der da ist: Höherer Lohn für weibliche Arbeit.“ Dieser Aufruf stand auf einem Flugblatt an die Arbeiterinnen Berlins von 1885. Noch heute könnte er verteilt werden. Zwischen Männer- und Frauenlohn liegen 21%, die sogenannte unbereinigte Gender Pay Gap.

Das war zu Zeiten von Emma Ihrer noch extremer. Die Vorkämpferin für Frauen wurde 1857 in Schlesien geboren. Sie lernte den Beruf der Modistin und zog 1891 nach Berlin. In einer bürgerlichen Veranstaltung zum Thema "Wie kann man die Sittlichkeit der Arbeiterinnen heben?" trat sie das erste Mal öffentlich in Erscheinung. Eine Genossin erinnerte sich an eine schlanke Rednerin mit warmer, aber schüchterner Stimme, die im Wesentlichen sagte: Prostitution ist kein Problem der Sittlichkeit, sondern Folge der Hungerlöhne für Frauen.

„Was die Arbeitslöhne betrifft, so ist es eine bekannte Tatsache, daß allgemein Frauenarbeit schlechter bezahlt wird als Männerarbeit, auch dort, wo sie das gleiche leisten“ wusste schon August Bebel zu berichten und führt als Beleg Zahlen zur Entlohnung in Mannheimer Fabriken auf. Wenn man die Löhne in drei Stufen aufteilt, sind 99,2% der Frauen in der niedersten- die Männer nur zu 20,9%. Ganz oben dreht es sich dann um: 22,9% der Männer arbeiten im höchsten Lohnsegment- und ganze 0,1% der Arbeiterinnen.

Solidarität von den Genossen erfuhren die Frauen in ihrer Lage jedoch nicht. Diese sahen sie oft als „Schmutzkonkurrenz“, die die Löhne drückte und den Mann arbeitslos machte. Noch 1889 bei der Gründung der II. Internationalen wurde der Antrag auf Verbot der Frauenarbeit gestellt. Emma Ihrer und Clara Zetkin als Berliner Delegierte konnten die Debatte drehen. Der Antrag wurde nicht nur abgelehnt, sondern die Mitgliedschaft für Frauen in den Gewerkschaften festgeschrieben. Das lag ganz auf der Linie von Emma Ihrer. Frauen und Männer durften sich nicht gegeneinander ausspielen lassen. Also müsse gemeinsam der Kampf für „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ ausgetragen werden.

Emma Ihrer wurde 1890 als erste Frau in die Generalkommission der Gewerkschaften gewählt und rührte in der Folgezeit die kräftig die Werbetrommel für Mitstreiterinnen bei den Gewerkschaften. Die Revolution und die Einführung des Frauenwahlrechts erlebte sie nicht mehr, sie verstarb 1911. In ihrer Zeit stieg aber die Zahl der weiblichen Gewerkschaftsmitglieder von 4.355 im Jahr 1892 auf 138.443 im Jahr 1908.


Weniger tut sich heute bei der Gender Pay Gap. In fast zehn Jahren ist sie von 23 auf 21 Prozent gesunken. Die Gründe für die Lohnungerechtigkeit sind teils die gleichen wie im Kaiserreich. Was damals Heimarbeit war, ist heute der Niedriglohnsektor und kleine Betriebe ohne Tarifbindung. Weil die Familienarbeit zum großen Teil noch an ihnen hängt, arbeiten Frauen in Teilzeit oder mit Unterbrechungen. Außerdem werden „Frauenberufe“ in der Regel schlechter bezahlt.

Damit die Lohnlücke Stück für Stück weiter schrumpft, ist einiges auf den Weg gebracht worden. Der gesetzliche Mindestlohn, der Ausbau der Kindertagesbetreuung, die Verbesserung der Familienpflegezeit und dem ElterngeldPlus helfen. Bei dem Rückkehrrecht in Vollzeit sperrt sich die Union bis heute.

Es bleibt also zu tun, was schon vor 133 Jahren auf dem Flugblatt in Berlin stand: „Wir müssen uns aufraffen und im Namen der Gerechtigkeit eine Forderung erheben, deren Erfüllung Rettung verheißt: Lohngleichheit der Männer- und Frauenarbeit!"

 

Facebook