Elise Panzeram

Elise Panzeram (1866-unbekannt)

„Dieses gesetzliche Unrecht kann die Proletarierin nicht hindern, eine Sozialistin zu sein.“

„Du wirst doch bestimmt gerne in den Arsch gebumst.“ Diesen „Spruch“ durfte sich eine Bundespolizistin von einem „Kollegen“ bei einer internen Party anhören. „Wenn man sich gegen solche Sprüche wehrt, wird man von den Kollegen als Zicke oder empfindlich beschimpft. Oder der Klassiker aller doofen Sprüche – »man hat seine Tage« – wird gebracht.“ Erzählte sie gegenüber der ZEIT weiter. Das ist nur eine von unzähligen Geschichten, die seit 2017 unter #metoo öffentlich werden.

Sexuelle Gewalt gab es auch im Kaiserreich. Frauen waren auf viele Arten sexueller Gewalt ausgesetzt. In einer Hutfabrik in der Greifswalder Straße zum Beispiel hat sich der Meister eine 19-jährigen Arbeiterin „mit Gewalt seinen sinnlichen Neigungen dienstbar zu machen gewußt“, wie der Vorwärts im September 1893 berichtete. Das erste Mal war es nicht. Diesmal aber wurde er von anderen Arbeiterinnen während der Tat überrascht. Eine Untersuchung wurde eingeleitet. Gerade in Fabriken und als Dienstmädchen waren Frauen und Mädchen schutzlos und ganz deutlich zeigte sich, dass es bei Übergriffen nicht um Sexualität geht, sondern um Macht.

Umso wichtiger hinzuschauen und zu helfen. Eine, die das machte, war die Sozialdemokratin Elise Panzeram. Geboren wurde Elise am 09.09. 1866. Über ihre Kindheit und Jugend ist wenig bekannt. Politisch wahrnehmbar war sie das erste Mal 1896 anlässlich des großen Konfektionsarbeiterinnenstreiks. Ihre Beteiligung war Grund genug für den preußischen Staat, sie zu maßregeln. Doch das entmutigte sie nicht – im Gegenteil. Neben Vorstandstätigkeiten in proletarischen Frauenvereinen war sie Vertrauensperson für die SPD, als eine der ersten Frauen in der Armenkommission („Da kommen Dinge zur Sprache, die man einer Frau nicht zumuten kann“ raunten damals die Männer), Parteimitglied trotz Politikverbots für „Frauenspersonen“. Sie vertrat Berlin als Parteitagsdelegierte 1902 beim Reichsparteitag in München, vertrieb die Zeitschrift „Die Gleichheit“ und noch vieles mehr.

Am Ende ihres Lebens verliert sich ihre Spur jedoch. Gleichsam als ernüchterndes Fazit schilderte sie auf der Mai-Feier 1929, „wie schwer es früher für die Frauen war, sich gewerkschaftlich oder gar politisch zu betätigen. Umso notwendiger ist es heute, darauf hinzuweisen, daß wir gegen früher immerhin eine ganze Anzahl Erfolge für uns buchen können.“ Für diese ganze Anzahl der Erfolge für die Frauenbewegung hat sie hart gekämpft. Und: sie hat zugehört. Unter der Rubrik „Arbeiterinnen, wahret Eure Rechte!“ wurden im Vorwärts regelmäßig die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Arbeiterinnen erläutert. Wer Probleme hatte, konnte sich an Elise Panzeram wenden und zwar anonym: „Die Namen der Beschwerdeführer werden streng geheim gehalten!“ Mit Rechtsanwälten, Boykottaufrufen und öffentlichen Druck wie den Bericht im Vorwärts kämpfte die SPD für die Arbeiterinnen, die im preußischen Staat schutzlos waren. Was heute die sozialen Netzwerke sind, war früher also die sozialdemokratische Partei. Einer Arbeiterin konnte sich der Werksmeister vielleicht noch überlegen fühlen und seine Machtposition ausnutzen. Der stärksten der Parteien gegenüber konnte er sich das allerdings nicht mehr erlauben.

Eben weil es bei #metoo um Macht geht, braucht es Gegenmacht. Das macht die Öffentlichkeit so gefährlich für die Täter – damals wie heute. Es ist aber nur ein Anfang. Das Ende ist erst dann erreicht, wenn die Machtunterschiede beseitigt sind und die volle Gleichberechtigung der Frau mit dem Manne herrscht. Die Sozialistin Elise Panzeram hätte dem vollauf zugestimmt.

 

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